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Die 18 – Plus – Frage

Die damalige Reform endete allerdings lange Zeit an der Altersgrenze von 18 Jahren.
Junge Erwachsene sollten laut rumänischen Behörden nach Erreichen der Altersgrenze aus den Häusern heraus, um für die nachkommenden Kinder Platz zu schaffen. Für die jungen Erwachsenen hätte das meist bedeutet, zurück in die Heime zu müssen oder sogar in die Psychiatrien, weil sie auf Grund ihrer Behinderungen noch lange nicht so weit waren, ein selbstständiges Leben in der Gesellschaft zu führen

Die Rumänienhilfe Alsterdorf hat deshalb 2005 mit der Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung Stuttgart und in Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirchengemeinde St. Jo-
hannes Baptist in Weil im Schönbuch ein Programm gestartet mit dem Titel „Wohnen und Arbeiten für Erwachsene mit Behinderung in Bihor/18 plus“. Insgesamt konnten fünf Wohnungen erworben und eingerichtet werden, die jeweils fünf jungen erwachsenen Menschen mit Behinderung die Möglichkeit bieten, sich auf ein selbstständigeres Leben
in der Gesellschaft vorzubereiten.  

Gleichzeitig gelang es uns in Bihor, in intensiver Kooperation mit der örtlichen Agentur für Arbeit, über 200 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Diese Arbeitsplätze funktionieren nach dem in Großbritannien erfolgreichen und in Hamburg frühzeitig von der Hamburger Arbeitsassistenz aufgegriffenen Prinzip des „supported employment“, bei dem Assistenten nicht nur die Vorbereitung in Seminaren und die Vermittlung auf den Arbeitsplatz, sondern auch die Anleitung dort und die Hilfe bei Konflikten am Tagesarbeitsplatz übernehmen.

Ab 2011 startete das Auszugsprojekt für diejenigen unserer Bewohnerinnen und Bewohner, die ganz heraus wollen in eine eigene Wohnung und in ein selbstständiges Leben. Voraus-
setzungen waren und sind bis heute aber nicht nur alltagspraktische und soziale Kompe-
tenzen, die im Wohnhaus angefangen und dann im betreuten Wohnen in den Apartments weiter trainiert wurden, sondern auch ein Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt. Eine lockere Anbindung an ihre bisherigen Assistenten und Betreuer aus unseren Wohnan-
geboten bleiben aber bestehen, weil die Betroffenen immer noch Unterstützung brauchen, wenn es um Behördengänge geht oder Schwierigkeiten mit Partnern oder auf dem Arbeits-
platz entstehen. Auch unterstützen wir anfangs diese Auszüge finanziell, weil der Mindest-
lohn, den die meisten bekommen, kaum für den Sprung in die Selbständigkeit ausreicht.

Parallel zum Aufbau dieses abgestuften Programms von Wohnhäusern, betreutem Wohnen in Apartments und Auszugsprojekt hat die Rumänienhilfe Alsterdorf  für die Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen, die noch bei ihren Eltern leben, zusammen mit dem Angehörigenverband in Oradea ein Tageszentrum aufgebaut.

40 Betroffene finden hier seit der Gründung des Tageszentrums 1997 eine Tagesstruktur mit Förderprogrammen, Sorge um die ärztliche Versorgung und einer gemeinsam hergestellten Mahlzeit am Tag, wodurch die Familien entlastet werden und eine Einweisung ins Heim oder die Psychiatrie vermieden wird.